4. Das Problem mit Silvester

by Adam E. Yalçıntaş

Es ist wie eine endlose Schleife, in der sich die Ereignisse ständig wiederholen. Mit dem Ende des Jahres stehen wir erneut vor dessen Abschluss. Damit stellt sich zugleich für viele die Frage, was sie an diesem letzten Abend des Jahres machen könnten. Unweigerlich wird es aber stets mit Böllern sowie Raketen im Zusammenhang stehen. Daraus ergibt sich aber ein großes Problem. Ungeachtet dessen, dass die Nutzung von Feuerwerkskörpern die reinste Form der Verschwendung ist, birgt die Nacht viele andere Risiken. Infolge des Böllerns werden unzählige Menschen in dieser Nacht verletzt. Tiere und kleine Kinder verbringen sie in Furcht und Schrecken. Die Umwelt leidet stark unter der Luftverschmutzung. Die Straßen sind am nächsten Tag voller Dreck. Obwohl die Nachteile stark überwiegen, ist ein Böllerverbot fern. Zwar gibt es in einigen Städten Böllerverbotszonen, diese sind jedoch nicht ausreichend. Ein gänzliches Böllerverbot würde wahrscheinlich auch nicht zielführend sein. Denn viele Bürger würden sich die Feuerwerkskörper auf dem Schwarzmarkt oder in den Nachbarländern erwerben. Es wäre auch praktisch unmöglich, jeden Böllerwerfer zu ahnden. In vielen Fällen ist es sowieso nicht ratsam, ein gänzliches Verbot zu erteilen. Stattdessen ist es besser, eine akzeptable Alternative zu bieten. Dies könnte hier etwa darin gesehen werden, dass die Städte für ihre Bürger an einem Ort bzw. an mehreren Orten ein Feuerwerk organisieren. Durch die Kanalisierung könnten mehr Menschen ohne Angst an dem Spektakel teilhaben. Es würde zugleich das Gemeinschaftsgefühl stärken. Zudem gäbe es länger keine Verletzten, sodass die Rettungsdienste sowie Polizeibeamten einen entspannteren Rutsch hätten.
Da so etwas wahrscheinlich noch seine Zeit braucht, stellt sich für viele Eltern die Frage, wie sie am besten an Silvester herangehen. Denn auch wenn sie gegen das Böllern sind, werden ihre Kinder in der Regel anderer Meinung sein. Die meisten Kinder wollen sich daran beteiligen. Hier bietet sich an, dass die Eltern einige Feuerwerkskörper kaufen und in einem sicheren Umfeld mit ihren Kindern diese zünden, anstatt den Kindern ein solchen Verhalten zu verbieten. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie angesichts dessen auf eigene Verantwortung ohne Sicherheitsvorkehrungen Böller zünden. Die erhöhte Verletzungsgefahr ist für jeden erkennbar. 
 
In diesem Sinne ein frohes, gesegnetes neues Jahr!


3. Weshalb wir nicht aufgeben dürfen

by Adam E. Yalçintaş

Anlässlich der jüngsten Ereignisse im Nahen Osten sehen die Menschen, die noch ein intaktes Gewissen haben, sich mit einer Situation konfrontiert, die nicht verzweifelter sein könnte. Sie blicken auf eine Ungerechtigkeit, die uns an der Menschheit sowie Menschlichkeit an sich zweifeln lässt. Die Stimme unseres Herzens bebt und verlangt ein Tätigwerden. Dieser Stimme bietet aber die Realität Einhalt. Denn unsere tatsächlichen Möglichkeiten sind begrenzt. Wir können als einzelne Person nicht einem Unheil, was von so vielen Menschen angerichtet wird, Herr werden. Also senken wir resigniert unser Haupt. 
Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die Problematik im Nahen Osten. Wenn wir für einen Moment unseren Blick von unserem Smartphone abwenden würden, würden wir sehen, dass wir von einem Schleier der Ungerechtigkeiten umgeben sind. Eins davon ist der menschenverursachte Klimawandel. Da die Mehrheit der Menschen nicht bereit ist, die notwendigen Schritte zu gehen, um den Klimawandel aufzuhalten, werden wir den nächsten Generationen eine Welt hinterlassen, die nur noch begrenzt bewohnbar ist. Sie müssen dann für etwas leiden, wofür sie eigentlich nichts können. Sie werden in diesem Fall Opfer einer Ungerechtigkeit sein.
Zwar stimmt es, dass in unseren Augen die Tat eines einzelnen Menschen klein ist; möglicherweise derart klein, dass sie überhaupt keinen Effekt erzielen kann. Aber darauf kommt es nicht an. Dies zeigt uns etwa die Geschichte von Abraham und der Ameise eindrucksvoll: Der Prophet Abraham (Friede sei mit ihm) wurde vom damaligen Herrscher gefangen genommen. Er glaubte ihm nicht, dass er ein Gesandter des Schöpfers war. Er wollte den Propheten vor den Bürgern auf einem gigantischen Scheiterhaufen verbrennen lassen. Dazu wurde von seinen Bediensteten Holz in unvorstellbarem Maße gesammelt. Als das Feuer in vollem Zuge brannte, war es so heiß, dass sich kein Bürger dem Feuer nähern konnte. Der Prophet sollte in dieses Feuer geworfen werden. Währenddessen ereignete sich auf dem Boden, den die Bürger mit ihren Füßen betraten, ein Ereignis, das für unzählige Menschen danach eine moralische Direktive sein sollte. Eine Ameise war dabei, einen Wassertropfen zum Feuer zu transportieren. Dies sah eine andere Ameise. Sie fragte die andere: „Wieso gibt’s du dir solche Mühe? Mit diesem einzigen Wassertropfen kannst du doch nicht dieses riesige Feuer löschen!“. Die andere Ameise erwiderte bloß: „Zumindest zeige ich damit, auf welcher Seite ich stehe.“. Kurz darauf befahl der Schöpfer dem Feuer, seine Eigenschaft gegenüber dem Propheten nicht zu entfalten. Damit war sowohl die Ameise als auch der Prophet Abraham gerettet. 
Am Ende kommt es in den Augen des Schöpfers nicht auf das Ergebnis an, sondern auf unsere Bemühungen und Absichten. Mit unseren Taten nehmen wir Stellung. Wenn wir aufgeben, verlieren wir. 
Es sollte nicht vergessen werden, dass wir und jeder Mensch für jedes Tun, aber auch für jedes Nichtstun, in nicht zu ferner Zukunft vom Schöpfer zur Rechenschaft gezogen werden. Jeder, der sich an einer Ungerechtigkeit in irgendeiner Weise beteiligt hat, wird die Konsequenzen dafür tragen müssen. Eins ist zum Schluss immer gewiss: Der Schöpfer vergisst nicht.


2. Weshalb das Königtum mir zuwider ist

by Adam E. Yalçintaş

Vor nicht langer Zeit ist Elisabeth II. verstorben. Nun ist Charles III. der König des Vereinten Königreichs. Obgleich es noch weitere Monarchien mit Königen und Königinnen auf der Welt gibt, ist doch keine Monarchie in Deutschland so präsent wie die britische. In unzähligen Bildern und Videos kann man im Zusammenhang damit Menschen erblicken, die sich demutsvoll sowie ehrfürchtig vor den Angehörigen des Königshauses auf die Knie werfen und ihr Haupt zu Boden neigen. Die königliche Familie und das System dahinter werden gehuldigt und mit Stolz an die Geschichte der Thronfolger gemahnt. Zwar herrscht dort eine konstitutionelle Monarchie mit der  tatsächlichen Ausformung, dass dem Königshaus  nur eine repräsentative Funktion zukommt. Nichtsdestotrotz vermindert dies in keiner Weise den Wert, den die Bürger der britischen Monarchie zuweisen. Das gegenwärtige Verständnis sowie Bewusstsein geht dahingehend, dass die Mitglieder des Königshauses für besonders gehalten werden. Einige sind sogar der Auffassung, dass sie von Gott persönlich auserwählt sind und damit ihre Stellung von Gott selbst abgeleitet wird. Eine Unterwerfung wird als Selbstverständlichkeit abgetan. 
Diese Menschen leben also in einem Land, in dem andere Menschen über sie herrschen und ihre Unterwerfung – sei es doch auch stillschweigend – voraussetzen. Mit anderen Worten ist man nach dieser Betrachtungsweise lediglich ein unbedeutender Planet, der um die Sonne (also das Königshaus) kreist. Die Könige und die Königinnen ergötzen sich wiederum an dieser Situation. 
Aus meiner Sicht stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob eine solche Rolle des Einzelnen tatsächlich mit den von der Religion gegebenen Direktiven vereinbar ist. In der Religion ist das Verhältnis zwischen dem Schöpfer und jedem einzelnen Menschen das bedeutsamste Verhältnis überhaupt. Der Schöpfer ist aufgrund seiner Eigenschaft als Erschaffer der Herr jedes einzelnen Menschen. Aber damit ist keine Erniedrigung verbunden. Denn zwischen Schöpfer und Geschöpf kann es keine Erniedrigung geben. Der Schöpfer erhebt jeden Menschen mit seiner Schöpfung auf das Podest der Schöpfung und deklariert ihn zur Krone der Schöpfung. Er ist die Sonne, um den die Welten kreisen. Diese Stellung ist jedem Menschen immanent. Jedoch fällt der Mensch von dieser ursprünglichen Position herunter, wenn er sich vom Schöpfer abwendet. Die Folge ist, dass er einen Ersatz sucht und diesen vermeintlich in anderen Sachen oder Menschen findet. Es darf nicht vergessen werden, dass die Unterordnung gegenüber dem Schöpfer in jeder Seele vorprogrammiert ist und durch nichts anderes ausgefüllt werden kann. Es kann in Anbetracht dessen nicht sein, dass ein Geschöpf sich einem anderen Geschöpf deshalb unterordnet, weil der andere ihm angeblich aufgrund seines Blutes oder seiner familiären Stellung automatisch überlegen ist. Das widerstrebt der Grundvorstellung der Religion. Wenn jeder Mensch eine Sonne ist, kann eine Sonne nicht ohne Weiteres von der anderen Sonne ihre Unterwerfung fordern. Vor einem solchen Trugschluss bewahrt die Religion. 
In dieses Systemverständnis reiht sich auch das Verhalten der Propheten ein. An einem Tag kam der Erzengel Gabriel zum Propheten Muhammed (Friede sei mit ihm). Er teilte ihm mit, dass der Schöpfer dem Propheten die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten der Prophetschaft eröffnet. Er könne ein König sein oder ein Diener. Der Prophet Muhammed entschied sich für Letzteres. Er hätte sich auch dafür entscheiden können, ein König zu sein. Es gab Propheten, die Könige waren (wie etwa der Prophet David). Der entscheidende Unterschied war im Vergleich zu dem heutigen, hier kritisierten Königtum, dass die materielle Ebene die immaterielle Ebene völlig unberührt ließ. Damit ist gemeint, dass kein Prophet, sei es nach außen als König oder als Diener, niemals die Verbeugung vor ihm selbst verlangte. Kein Prophet drängt sich in den Vordergrund. Die Aufgabe jedes Propheten war es, die wichtigste Beziehung, nämlich die des Schöpfers zu dem Menschen, aufleben zu lassen bzw. in das richtige Licht zu rücken. Darin erübrigt sich jedoch nicht die Bescheidenheit des Propheten Muhammeds, sondern geht darüber hinaus. Wenn wir uns das Leben des Propheten anschauen, erkennen wir die wahre Bedeutung der Bescheidenheit. Zu keiner Zeit hatte der Prophet einen Thron. Äußerlich konnte ein Außenstehender anhand des materiellen Erscheinungsbildes den Propheten nicht von einem seiner Gefährten unterscheiden. Wenn er einen Raum betrat, tadelte er die Leute, die wegen ihm als Zeichen des Respekts aufstanden. Er lebte ausschließlich dafür, dass der Mensch seinen Schöpfer kennt sowie soweit es geht versteht und seinen eigenen Wert erkennt. 
Wie kann es dann vor diesem Hintergrund sein, dass die Menschen, die sich vor ihren Königen und Königinnen auf die Knie werfen, sich ihrer Würde entledigen und anfangen, um andere Sonnen zu kreisen? Sie legen sich eigenmächtig Ketten auf, die ihre Freiheit und ihr Ich einschnüren. Ihnen wird dadurch regelrecht die Luft zum Atmen entzogen. Ohne Freiheit ist der Mensch eine Synkope. Die Religion sprengt diese Ketten. Der Mensch kann erst dadurch wahrhaftig ein Mensch sein.
Mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland kann gesagt werden, dass sie diesem Gedanken viel näher ist als andere Staaten. In Art. 20 Absatz 2 Grundgesetz ist geschrieben, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Diese Staatsgewalt wird konkret vor allem durch Wahlen ausgeübt. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Staatsoberhäupter in Wahrheit „Volksdiener“ sind. Es ist der ehrenwerteste Titel, den eine Person erlangen kann. 


1. Bin ich nun Deutscher oder nicht?

by Adam E. Yalçıntaş

Meine Eltern sind in den 90er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Ich bin ein paar Jahre später als Sohn türkischer Eltern in Deutschland geboren. In der Kita und in der Grundschule hatte ich sowohl türkische als auch deutsche Freunde. Aber außerhalb dieser Institutionen waren meine Freunde fast ausschließlich nicht-deutscher Herkunft. Obgleich ich äußerlich mit meinen deutschen Freunden in der Schule redete und lachte, war es so, als ob zwischen uns ein unsichtbarer Schleier existent war. Diesen vermochte weder ich noch meine deutschen Freunde zu zerreißen. Zwischen uns herrschte quasi der gemeinsame Konsens, dass die Unterschiede zwischen uns zu groß sind, als dass sie überwunden werden können. Es war zugleich die einfachste Option. Mit meinen nicht-deutschen Freunden teilte ich den gemeinsamen Glauben und die gemeinsame Kultur: Diese Atmosphäre war lockerer und angenehmer. Mein Misstrauen sowie Abneigung gegenüber dem Gedanken, dass die bestehende Kluft geschlossen werden kann, setzte sich auf dem Gymnasium fort. Es war sogar vielmehr so, dass mein Wunsch, den „Freunden“ nur in der Schule zu begegnen, wuchs. Bestärkt wurde ich durch Aussagen von Lehrern wie „Bringst du eigentlich Dynamit in die Schule mit? oder von Schülern wie „Wie viele Türken passen in den Bodensee? Hoffentlich alle!“. Wie hätte denn auf einem derart toxischen Boden etwas wie eine Freundschaft oder das Gefühl von Zusammengehörigkeit gedeihen können. Während dieser Zeit keimten allerdings auch allerdings andere Gefühle, die diametral zu diesem eben beschriebenen hinzukamen. Deutschland war doch auch mein Vaterland, oder nicht? Wenn dies aber der Fall ist, weshalb werde ich dann von meinen Mitbürgern als mit der „Türke“ tituliert. Wieso konnte das Gefühl der Bruderschaft nicht entstehen? Ich zog mich zu meinen türkischen Freunden zurück und gemeinsam richteten wir unseren Blick auf unser „echtes“ Vaterland, die Türkei. Es wurde eifrig über die türkische Politik disputiert; Modalitätsformen besprochen. Bei der Weltmeisterschaft/Europameisterschaft feuerten wir ausschließlich die türkische Nationalmannschaft an. Teilweise offen, teilweise insgeheim wurde gegen die deutsche Nationalmannschaft geschossen. Ihre Niederlage war explizit erwünscht. Mit diesen Gefühlen schloss ich mein Abitur ab. 

Nichtsdestotrotz kämpften zwei Geister in meiner Brust. Folge davon war eine Identitätsproblematik. Während meiner Zeit an der Universität nahm schließlich die Seele, die sich dem deutschen Bewusstsein öffnete, die überhand und ebnete meinen Gedanken einen Weg, der davor nicht existent erschien. 

Ich hatte Deutschland alles zu verdanken und ich wurde treubrüchig. Seit meiner Geburt profitierte ich von den Privilegien, die mir in Deutschland zuteil kam. Ich konnte mich auf die Sicherheit, die Ordnung und das System verlassen. Diese Elemente sind auch hier nicht perfekt, aber besser als in vielen anderen Ländern. Das bedeutet aber nicht, dass ich die Türkei, das Land meiner Eltern und damit meiner Wurzeln, in irgendeiner Weise ablehne oder negiere. Ich werde diesem Land in meinem Herzen immer dankbar sein. Jedoch ist es das Land meiner Eltern. Mein Wesen verdanke ich an erster Stelle meinem Schöpfer, an zweiter Stelle der Bundesrepublik Deutschland und meinen Eltern. Auch wenn ich meine Augen davor verschließen würde, würde es nichts an der Wahrheit ändern. Damit bin ich Deutscher. 

Wenn man mich fragen würde, welcher Umstand die Nationalität bestimmt, würde ich antworten: weder die Herkunft noch der Pass. Da wir alle nach den drei Weltreligionen von Adam und Eva (Friede sei mit ihnen) abstammen, kann es auf diesen Aspekt nicht ankommen. Diesbezüglich sind wir alle gleich. Es gibt auch keinen „Passdeutschen“. Mit Letzterem hat insbesondere Adolf Hitler versucht, seine Ideologie zu untermauern. Nein, es kommt vielmehr darauf an, welches Land seine Flügel der Sicherheit und der Fürsorge über einem gespannt hat. Das begründet die Treue, woran auch der Islam anknüpft. Es ist die Pflicht jedes Bürgers, sein Leben für dieses Land aufzuopfern. Mir ist bewusst, dass es viele gibt, die mich mit meiner Kultur und Religion niemals als Deutschen auffassen werden. Aber das ist mir gleichgültig. Denn ich kann mich von diesem Land nicht abwenden, wie es ein Kind von einem Elternteil auch nicht kann. Mein Leben wird stets diesem Land gebühren.